Industriebühnen in Bewegung

Das Unternehmen

Das Großherzogtum Luxemburg verfügt über ein Schienennetz von 630 km. Dabei sind 38 Lokomotiven und 63 Elektrotriebwagen im Einsatz, um jährlich 13,9 Millionen Passagiere zu befördern. Für den zuverlässigen Bahnbetrieb der Luxemburger sowie zahlreicher Pendler ist die Société Nationale des Chemins de Fer Luxembourgeois (CFL) zuständig. Sie übernimmt dabei ebenso die Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten der Triebzüge und -wagen, die es pro Jahr auf mehr als 300 Millionen Kilometer Fahrtstrecke bringen.

Die Kreitzler Industriebühnen GmbH mit Sitz in Witten hat sich auf die Sonderanfertigung von Industriebühnen, Hubtischen und Sonderbauten spezialisiert. Die Konzeption fußt auf der 100% eigenständigen Fertigung der Sonderbauten. Zur Inspektion- und Wartung an Lokomotiven fertigt Kreitzler beispielsweise selbstfahrende Scherenhubarbeitsbühnen als Waschanlage sowie Gelenk-Teleskopbühnen für den Fahrleitungsbau. Die Montage und Serviceleistungen werden vom Unternehmen ebenso angeboten wie der Verleih von Scheren- und Gelenk-Teleskopbühnen.

Die Aufgabe

Die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an den Lokomotiven, Elektrotriebzüge und -wagen erfolgen im CFL-Stammwerk in Luxemburg Stadt. In unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof befindet sich die Zentralwerkstatt mit 1.000 m Wartungsgleislänge. Direkt an das Schienennetz schließen sich die Wartungshallen „Centre de réparation rapide“ an. Dort werden die Triebwagen schnellstmöglich inspiziert und gewartet. Dies geschieht im dreischichtigen 24 Stunden Betrieb. Die Wartung kann an jeder Schraube des Triebwagen geleistet werden, zumeist handelt es sich jedoch um die Wartung der Türen, Arbeiten am Dach, inklusive der Stromabnehmer, oder Arbeiten am Klimamodul. Für den Austausch der gesamten Klima-Einheit stehen Demag Hängekrane zur Verfügung.

Kleinere Arbeiten werden von den Mitarbeitenden zumeist von einer in die Jahre gekommenen Wartungsbühne erledigt. Diese weist mittlerweile jedoch eine zu geringe Fahrtgeschwindigkeit auf und ist nicht mehr gänzlich zu der neuen Generation von Triebwagen kompatibel.

Charel Weiwertz (Projektleiter für Neubauprojekte im Bereich Züge und Service) skizzierte daher die Anforderungen für eine neue Generation von Hubarbeitsbühnen und deren spezifische Anforderungen für CFL:

• Einbindung in das bestehende Sicherheitskonzept von CFL
• Zuverlässigkeit im Mehrschichtbetrieb
• Höchstmögliche Fahr- und Hubgeschwindigkeiten
• Ausfahreinheit in höchster Hubposition
• Leichter Wartungszugang

Die Lösung

Vier Hubarbeitsbühnen wurden speziell für die Bedürfnisse von CFL gefertigt und mit Wartungsfeatures versehen. Die Mitarbeitenden von Kreitzler tüftelten an einer Lösung, die zuverlässig, schnell und sicher ist. Jede der Arbeitsbühnen kann dabei bis zu 500 kg tragen. Dadurch können beispielsweise drei Personen mit einer Zuladung von bis zu 260 kg pro Bühne, wie Werkzeug oder Komponenten des Triebwagens, arbeiten. Das Gleichgewicht zwischen notwendiger Zuladung und Geschwindigkeit bringt CFL die gewünschte Lösung für Arbeiten an den Außenseitenseiten der Triebwagen. Um die Hubarbeitsbühnen in der gewünschten Geschwindigkeit entlang der Wagen zu bewegen, kam Kreitzler schnell auf den Baukasten der Antriebstechnik von Demag. Die zuverlässigen Demag Komponenten sind ideal, um die gewichtigen Arbeitsbühnen zu verfahren und die Mitarbeitenden von CFL effizient zu unterstützen. Jede Arbeitsbühne ist mit zwei Demag Flachgetriebebremsmotoren und vier Demag Laufrädern ausgestattet. Diese sind paarweise über eine Hohlwelle mit Evolvente verbunden.

Einbaufertig und nach Maß – Demag Laufradsystem LRS

Für das Projekt wurde die Hydropur-Variante der Laufräder LRS ausgewählt. Durch die gummiartige Oberfläche können die Arbeitsbühnen direkt auf dem Hallenboden verfahren und hinterlassen keinerlei Rückstände. In der gewählten Baugröße 350 nehmen die LRS bis zu 3.000 kg Radlast auf und zeichnen sich mit einer hohen Laufruhe, auch bei hoher Beschleunigung, aus. Die Gewichtsverteilung auf der breiten Aufnahmefläche der Räder stattet die Arbeitsbühnen mit einem stabilen Fahrgefühl aus.

Die perfekte Kombination bewährter Komponenten – Demag Getriebemotoren

Flachgetriebebremsmotoren des Typs ADK50DD mit ZBA90 Motoren. Mit Motordrehzahlen von 14000 1/min und einer Leistung von 1,100 kW beschleunigen die ZBA-Motoren die Hubarbeitsbühnen auf bis zu 67 m/min. Die Positionierungsgeschwindigkeit beträgt hingegen 3 m/min, wodurch das Wartungspersonal die Bühne exakt in Position verfahren kann. Gebremst werden die Bühnen mit einem Bremsmoment von 3,3 Nm. Die flache Bauform der Getriebebremsmotoren ermöglicht den platzsparenden Einsatz zwischen den Laufrädern und eine kompakte Bauform für die schmalen Kreitzler Bühnen. Somit entsteht ein Korridor zwischen den beiden Wartungsbühnen im Mittelgang und jeweils bei den äußeren Bühnen, um für die Wartung benötigte Materialien, z. B. Ölfässer, lagern zu können. Von äußeren Einflüssen geschützt und mit der Schutzart IP 54 beschrieben, sind die Getriebemotore dafür ausgelegt täglich bis zu 16 Stunden ihre Arbeit absolut zuverlässig zu vollrichten. Dies entspricht der FEM-Einstufung 1Bm (M3-ISO) sowie einer Einschaltdauer (Antrieb / 8h) von 6,25%.

Eine der wichtigsten Anforderungen von CFL an Kreitzler war es, die Arbeitsbühnen in das bestehende Sicherheitskonzept einzubinden. Dies ist notwendig, um eine Ausfahreinheit der Industriebühne in der höchsten Position zu realisieren. Elektrotriebzüge und -wagen fahren entlang einer Oberleitung in die Wartungshalle. Die Spannung in der Oberleitung kann lebensgefährlich werden und die Arbeiten werden daher nur bei ausgeschalteter Oberleitung durchgeführt. Entsprechend gesichert werden muss der Aufstieg mit der Hubarbeitsbühne in der Nähe dieser Oberleitung.

CFL hat für die Wartungsmannschaft ein Sicherheitskonzept erarbeitet, durch welches die Oberleitung unterbrochen und eingeklappt wird, sobald der Triebwagen in Position gefahren ist. Mit einem Sicherheitsschlüssel können einzelne Bereiche angefahren werden, so dass die Unterbrechung stets gewährleistet ist und die Abschaltung der Oberleitung geprüft wird. Dies ist in der Elektronik der Arbeitsbühne integriert, so dass man nur mit dem Sicherheitsschlüssel in der Steuerung der Bühne in die nächste Zone fahren kann.

Enorme Antriebsstärke verbunden mit höchster Funktionalität – Demag Dedrive Compact STO

Die Applikationsbaugruppe für CFL wurde von Kreitzler und Demag um einen Frequenzumrichter Dedrive Compact STO DIC-4-014 ergänzt, welcher in die Steuereinheit von Kreitzler integriert und als Schnittstelle zwischen Demag Komponenten und der Elektronik des Systempartners dient. Die Umrichter-Baureihe ist für Start- und Stop-Anwendungen prädestiniert. Die hohe Überlastfähigkeit und einfache Bedienbarkeit lassen den Dedrive Compact STO zu einer weiteren, zuverlässigen Komponente im Antriebskonzept für die Arbeitsbühnen für CFL werden.

Drei Fragen an Martin Hämmerling, zuständiger Vertriebsingenieur beim Projekt mit Kreitzler Industriebühnen GmbH und Chemins de Fer Luxembourgeois

Demag: Herr Hämmerling, welche Anforderungen haben Sie zuerst vom Projektpartner erhalten?

Martin Hämmerling: Zu Beginn erhielt ich die technischen Daten vom Projektpartner Kreitzler Industriebühnen GmbH. Für die Anforderung von CFL vor Ort, erhielt ich Informationen zum Gewicht der Bühne, zur Beladung und den gewünschten Fahrgeschwindigkeiten. Darüber hinaus gab es bereits Vorgaben von Kreitzler wie die Radblöcke und Antriebe angeordnet werden sollen. Der wichtigste Hinweis bezog sich auf die Radführung: Die Bühne soll auf dem Betonboden der Halle verfahren. 
Mit diesen Daten konnte ich beginnen die passenden Komponenten für diesen Einsatzfall zu bestimmen. Es galt den richtigen Radtyp samt Radgröße und Antriebsleistung für das Verhältnis von Bühnengewicht und gewünschter Geschwindigkeit auszuwählen. 

Demag: Welche Produktmerkmale sind bei der Antriebslösung für die Industriebühnen besonders hervorzuheben?

Martin Hämmerling: Hier ist durch die Besonderheit des Fahrens auf Betonboden die Auswahl der Räder besonders sorgfältig zu erfolgen! Die Auswahl fiel auf spurkranzlose Laufräder mit Hydropur-Bandage, die durch eine breite Gewichtsverteilung den Betonboden nicht schädigen. In diesem Anwendungsfall wurde die Baugröße LRS 350 ausgewählt. Die Kombination aus Hydropur-Bandage, Getriebemotor und Laufradgröße bringen optimale Eigenschaften für die hochdynamische Anwendung der stufenlos verfahrbaren Industriebühnen mit und sorgen für geringe Laufgeräusche sowie die gewünschten Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 67 m/min und einer feinen Positionierungsgeschwindigkeit von lediglich 3 m/min.

Demag: Welche Kundenanforderung war bei diesem Projekt besonders spannend?

Martin Hämmerling: Besonders spannend ist die Auswahl eines Laufrads mit Hydropur-Bandage, da die übliche Möglichkeit zur Führung der Radblöcke, beispielsweise durch Spurkränze, entfällt. Es fehlt schlicht die Schiene auf dem Hallenboden. Daher hat die Spurführung der Projektpartner Kreitzler auf Plattformhöhe realisiert, so dass die Industriebühne entlang der gesamten Hallenlänge am Gleis geführt wird. Eine weitere Anpassung an die Begebenheiten in der Werkstatthalle von CFL.

Besonderheiten

Das Demag Laufradsystem LRS kann maßgerecht für verschiedene Antriebsaufgaben eingebaut werden. Mit Radlasten von bis zu 6,5 t und Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 240 m/min sind die Laufräder ideal für Selbstbauer zum Zuführen, Umsetzen, Verteilen, Zusammenfügen oder, wie bei den Hubarbeitsbühnen, Transportieren geeignet. Die fünf Anschlussflächen erlauben dabei vielfältige Befestigungsvarianten.

In Kombination mit dem Demag Flachgetriebemotor verfahren die Hubarbeitsbühnen bei CFL mit einer hohen Bodenfreiheit dank kompakter Bauweise. Die spurkranzlosen Hydropur-Bandagen-Laufräder sorgen für eine hohe Laufruhe, auch bei hoher Beschleunigung und schonen den Hallenboden.

In den Nachbarhallen unterstützen Demag Zweiträgerkrane mit unterschiedlichen Tragfähigkeiten bei der Wartung von Lokomotiven und Elektrotriebwagen. Die Krane heben und transportieren komplette Chassis um einzelne Komponenten für Wartungszwecke zu demontieren. CFL wartet und repariert die einzelnen Komponenten wie beispielsweise Drehgestelle und Klimaeinheiten. Diese werden nach der Demontage instandgesetzt und eingelagert, so dass die Komponenten bei nächster Gelegenheit für eine andere Lokomotive oder für Elektrotriebwagen zur Verfügung stehen.